Bootcamps gelten häufig als der schnellste Türöffner in die Tech-Welt: In wenigen Monaten soll der Einstieg in UX/UI-Design oder Web Development möglich sein – mit Projekten, Praxis und klarer Jobperspektive. Doch wie nah kommt dieses Versprechen der Realität?
Wir haben mit unseren drei Juniors gesprochen und ihre Erfahrungen aus den Bootcamps, der Bewerbungsphase und dem Jobeinstieg genauer beleuchtet:
Unsere Juniors:
Alex: 3 Monate Vollzeit Bootcamp für WebDevelopment (vorher Kulturmanagerin)
Anne: 6 Monate Teilzeit Bootcamp für UI Design (vorher Sozialarbeiterin)
Agustina: 6 Monate Teilzeit Bootcamp für WebDevelopment (vorher Quality Developer)
Wieso hast du dich für ein Bootcamp entschieden und was war dir bei der Auswahl wichtig?
Agustina: Ich hab mich für das Bootcamp entschieden, weil mich das, was ich vorher gemacht habe, schon länger nicht mehr wirklich erfüllt hat. Mir hat einfach die Kreativität und die Abwechslung gefehlt. Gleichzeitig wollte ich aber unbedingt im Bereich Software-Entwicklung bleiben und nicht komplett was anderes machen.
Der Auslöser war dann, dass ich mal meinen eigenen Blog mit einem CMS gebaut habe. Dabei hab ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, Dinge zu gestalten und sofort Ergebnisse zu sehen. Da wusste ich: genau sowas möchte ich machen.
Ein Bootcamp war für mich dann der perfekte Weg – kompakt, praxisnah und mit der Chance, direkt mit anderen an Projekten zu arbeiten. So konnte ich schneller den Einstieg finden und wieder in einem kreativeren Umfeld mit Kolleg:innen zusammenarbeiten.
Alex: Ich wollte mich umorientieren und wusste, dass es Bildungsgutscheine für das Bootcamp gibt und der Anbieter in meiner Nachbarschaft einen guten Ruf bei der Agentur für Arbeit hat. Vom Curriculum unterschied sich der Kurs kaum von denen anderer Anbieter.
Wie waren deine Erfahrungen mit dem Bootcamp?
Alex: Meine Erfahrungen waren gemischt. Der Kurs hatte zwei große Pluspunkte: Es wurde konsequent von Anfang an mit Git gearbeitet und am Ende hat man ein Projekt mit Next.js umgesetzt. Versionskontrolle mit Git, der ganze Workflow mit remote branches und Code Reviews, das war das, was man in Tutorials und Onlinekursen nicht wirklich lernen kann. Und mit Next.js wurden wir Newbies bereits in ein sehr populäres React Framework eingeführt.
Was mich jedoch sehr gestört hat war, dass die Auswahl der Teilnehmer:innen nicht gut war. Es waren einige Personen in meinem Kurs, die sich vorher gar nicht mit Programmieren beschäftigt haben und teilweise ihren Laptop nicht einmal richtig benutzen konnten. Das hätte man in der Bewerbungsphase schon abfedern können. Ihnen hätte man noch ein wenig mehr Vorlauf mit einem kostenlosen Kurs z.b. bei freecodecamp.org empfehlen sollen, bevor sie das Bootcamp machen.
Anne: Rückblickend muss ich sagen: die Waage neigt sich bei meinem Anbieter eher zu den negativen Erfahrungen. Was mir nicht gefallen hat:
Das Kursmaterial war seit 2018 unverändert. Im Tech-Bereich, wo sich gefühlt wöchentlich alles auf den Kopf stellt, ist das für mich ein absolutes No-Go – und hat für enormen zusätzlichen Zeitaufwand gesorgt.
Auch die gängigen Tools (damals Adobe XD und Sketch, Figma wurde nur am Rande erwähnt) waren nicht Teil des Lehrplans. Gerade für Quereinsteiger:innen bedeutete das: parallel noch mal einen zweiten Kurs im Selbststudium mit Youtube-Tutorials & Co. starten.
Kurz gesagt: Viel Mehraufwand, reichlich Frustration. Ohne meine Mentor:in und meinen Tutor – die zum Glück regelmäßig die Brücke zur echten Arbeitswelt und zum aktuellen Status Quo in Tech geschlagen haben – hätte ich vermutlich hingeschmissen.
Agustina: Für mich war das Bootcamp genau der richtige Schritt. Am Anfang hab ich versucht, mich direkt zu bewerben – ich hatte ja schon mein Ingenieurstudium, vier Semester Informatik und ein bisschen Berufserfahrung. Unter anderem hab ich mich bei farbenmeer beworben. Auch wenn es damals nicht geklappt hat, wusste ich: Da will ich hin. Mir war klar, wenn ich noch mehr Erfahrung sammle, hab ich irgendwann eine echte Chance.
Mit dieser Motivation bin ich ins Bootcamp gestartet – immer mit dem Gedanken, es danach nochmal zu probieren. Und genau so kam es dann auch: Direkt nach dem Bootcamp hab ich meinen Wunschjob bei farbenmeer bekommen, mit super Kolleg:innen und spannenden Projekten. Besser hätte es gar nicht laufen können. Also ja, ich würde den Weg auf jeden Fall wieder genauso gehen.
Wie ready für den Arbeitsmarkt hast du dich nach dem Bootcamp gefühlt?
Alex: Kaum bis gar nicht 😅
Anne: Als UI-Newbie fühlte ich mich zunächst überhaupt nicht "ready". Aber mit Anfang 40, etwas Lebens- und Berufserfahrung im Gepäck und dem Wissen, dass ich mich schon oft erfolgreich in neue und herausfordernde Situationen gestürzt habe, war ich rückblickend doch sehr bereit, dieses Kapitel zu beginnen und Zeit sowie Energie in meine Weiterentwicklung zu investieren.
Agustina: Ehrlich gesagt hab ich mich danach ein bisschen überschätzt, hehe. Im Bootcamp lief es echt super für mich – ich hab alles ziemlich schnell aufgenommen und im Abschlussprojekt dachte ich nur: Wow, was Cooles haben wir hier in nur sechs Wochen gebaut! Das hat mich total motiviert und mir das Gefühl gegeben: Ich bin ready. In der Praxis hab ich dann natürlich gemerkt, dass noch einiges dazukommt, aber das Bootcamp hat mir das Selbstvertrauen gegeben, direkt loszulegen.
Wie war die Resonanz in deiner Bewerbungsphase?
Alex: Die Resonanz war erstaunlich gut. Nur in einem Bewerbungsverfahren hatte ich das Gefühl, dass mehr von mir verlangt wird, als ins Team zu passen und die absoluten Basics zu beherrschen. Es war aber schwierig überhaupt Ausschreibungen auf Junior Level zu finden. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass mir mein Background in der IT als Projektmanagerin sehr geholfen hat. Es ist eben nicht die Transition, die oft besungen wird: Von der Tischler:in zur Programmierer:in. Ich hatte schon den Gewissen "Stallgeruch" würde ich sagen. Andere Bootcamp Alumni, die wirklich komplett quer eingestiegen sind, hatten es viel schwerer und suchen teilweise immer noch.
Anne: Tatsächlich gab es im Frühjahr/ Sommer 2024 kaum Jobs, auf die ich mich hätte bewerben können. Immerhin hatte ich ein bis zwei sehr nette Rückmeldungen von HR Personen und Recruiter*innen bekommen, die mein Portfolio wohl echt toll fanden. In die Bewerbungsverfahren wurde ich dann allerdings nicht eingeladen. Aber das lag, laut Feedback, daran, dass ich mich als Junior einfach trotzdem auf Senior Positionen beworben hatte, und mir dann schlichtweg die fehlende Erfahrung meine kühnen Pläne durchkreuzte.
Agustina: Ich würde sagen, die Resonanz war echt okay. Klar, ein paar Absagen waren dabei – das gehört einfach dazu. Aber nach zwei Monaten hatte ich gleich zwei Jobangebote, die super zu mir gepasst haben: eins bei farbenmeer und eins bei einer Firma, die eine Plattform für mentale Gesundheit anbietet, mit Workshops zu Meditation, Yoga und mehr. Das sind Themen, die mich auch persönlich total motivieren.
Und wie war dein Einstieg in den neuen Job?
Alex: Schön, aufregend und anstrengend. Die farbenmeer Devs sind der größte Support, den man sich vorstellen kann. Trotzdem ist der Übergang vom Bootcamp in den Job eine ziemliche Herausforderung. In einigen Firmen muss man z.B. erstmal mehrmonatige Trainings auf den eingesetzten Frameworks absolvieren, bis man ins Projekt kommt. Es gibt einen klaren Fahrplan für Juniors. Bei farbenmeer wird alles individuell gestaltet und es ist sehr fordernd die eigenen Bedürfnisse beim Lernen zu verstehen und sich die entsprechende Unterstützung zu holen. Das Learning on the Job ist anspruchsvoll, aber auch ein großer Vertrauensbeweis gegenüber einer total Anfängerin. Dafür bin ich super dankbar.
Anne: Tatsächlich hatte ich einen sehr guten Einstieg in meinen Job. Das lag vor allem an einem sehr (sozial-)kompetenten Design-Team, das mich zum einen gut darin supportete, meine gefühlt 2836 Wissens- und handwerklichen Lücken in Figma zu schließen und mich im täglichen Geschäft weiterzuentwickeln. Andererseits gaben sie mir von Tag eins an das Gefühl, mir zu vertrauen und darauf zu vertrauen, dass ich mir mit etwas mehr Schliff und Erfahrung eine solide Expertise aufbauen kann. Dafür bin ich wirklich dankbar.
Agustina: Mein Einstieg war ehrlich gesagt viel schöner als bei meinen früheren Jobs. Vor allem lag das an meinen tollen Kolleg:innen bei farbenmeer – super herzlich, empathisch und immer unterstützend. Klar, am Anfang hab ich nicht immer sofort den Anschluss im Projekt gefunden und musste auch mit ein bisschen Frust umgehen, weil ich mich etwas überschätzt habe. Aber jedes Mal wurde es danach besser, und so habe ich Schritt für Schritt reingefunden.
Würdest du das Bootcamp weiterempfehlen?
Alex: Ich glaube, wenn man wirklich als Programmierer:in arbeiten will, dann kann ein Bootcamp sinnvoll sein. Viele, ich auch, brauchen aber diese eine intensive Phase des Lernens und vielleicht auch ein Zertifikat, das einem das Gefühl gibt "Ja, ich kann das!". Ich würde es aber niemandem empfehlen, der:die ohnehin schon aktiv programmiert, eine Portfolio-Seite hat oder schon kleine, zeigbare Projekte. Wenn man ein Bootcamp über den Bildungsgutschein in Anspruch nehmen kann, ist das auf jeden Fall eine super Chance.
Anne: Das kommt ehrlich gesagt ganz auf den Anbieter drauf an. Da kann ich nicht jeden empfehlen.
Agustina: Ich würde das Bootcamp auf jeden Fall empfehlen, ja. Man kann echt viel lernen, vor allem praktisch und direkt am Projekt, und man bekommt einen guten Einblick in Web Development. Aber ich würde auch sagen: man sollte nicht mit der Erwartung rangehen, dass man sofort danach einen Job findet. Es ist kein Zaubertrick, sondern ein intensives Lernprogramm, das einem die Türen öffnet und die Fähigkeiten gibt – aber den Rest muss man selbst machen, zum Beispiel sich bewerben, Netzwerken und dranbleiben. Wer motiviert ist und Lust auf Teamarbeit und echte Projekte hat, für den ist es aber wirklich eine super Erfahrung.
Hast du Tipps für Personen, die überlegen, ob sie an einem Bootcamp teilnehmen wollen oder gerade schon dabei sind?
Alex: Wenn ihr Nullanfänger:innen seid oder langsam lernt, dann fangt schon einige Zeit vor dem Bootcamp an, euch mit den entpsrechenden Programmiersprachen auseinanderzusetzen , z.B. bei freecodecamp, scrimba, udemy. Mit hat es geholfen, mein Wissen im Bootcamp nur noch zu verfestigen und am Ende ein neues Framework zu lernen. Viele Teilnehmer:innen strugglen, weil das Tempo sehr schnell ist.
Anne: Angesichts der Tatsache, dass sich die Tech-Welt in den letzten Jahren ziemlich gewandelt hat und längst nicht mehr die todsichere Branche ist, die sie mal zu sein schien, lohnt es sich vor allem auch, den Arbeitsmarkt genau im Blick zu behalten. Ist er noch immer übersättigt? Falls ja, ist das kein Drama – aber dann braucht es vermutlich entweder eine ordentliche Portion Ausdauer, oder eben ein Quäntchen Glück, um direkt nach dem Bootcamp den passenden Job zu finden.
Agustina: Auch wenn man keine Vorkenntnisse hat, lernt man im Bootcamp wahnsinnig viel in kurzer Zeit. Ich war echt beeindruckt, wie gut meine Mitteilnehmer:innen das alles gemeistert haben – dachte nur: krass! Klar, sie haben dafür auch viel geübt und selbstständig Dinge ausprobiert.
Ich würde das Bootcamp auf jeden Fall empfehlen: einfach ausprobieren, Spaß haben und keine Angst davor, Fehler zu machen. In meiner Gruppe hatten wir richtig viel Spaß dabei, und das hat man auch in unseren Ergebnissen gesehen. Wir haben alle super viel gelernt und das Maximum aus der Zeit rausgeholt.
Die Erfahrungen der farbenmeer Juniors beweisen es: Ein Bootcamp kann ein Sprungbrett sein – aber es ist kein Zaubermittel. Wer hier startet, braucht Eigeninitiative, starke Nerven und ein gutes Support System. Und bei der Auswahl der Anbieter sollte man dringend darauf achten, dass die Inhalte aktuell, praxisnah und wirklich arbeitsmarktrelevant sind. Denn Tech verändert sich rasant – und wer fit werden will für diese Branche, darf nicht auf dem Stand von 2018 starten und muss sich sowieso auf ein kontinuierliches Weiterlernen einstellen. Tipp: Da Bootcamps häufig sehr preisintensiv sind lohnt es sich bei der Arbeitsagentur um einen Bildungsgutschein zu fragen.
Wenn du noch mehr über Quereinstieg in die Softwareentwicklung oder UX/UI-Design erfahren oder einen persönlichen Austausch dazu möchtest – dann melde dich gerne einfach direkt bei Alex, Anne und Agustina 😊
