Ohne Transparenz ist Selbstorganisation einfach nicht möglich.
Wenn Menschen eigenständig Entscheidungen treffen dürfen und sollen – für sich selbst oder im Team – brauchen sie dafür alle relevanten Informationen. Nur so kann Vertrauen wachsen, Verantwortung übernommen und gemeinsam im Sinne der Organisation gehandelt werden.
Warum Transparenz so wichtig ist
In einem System, in dem jede Person eigenverantwortlich handeln, braucht es Klarheit. Wenn alle verstehen, worauf ihre Entscheidungen Einfluss haben und wissen, was im Team oder im Unternehmen passiert, entsteht Verständnis und Sicherheit. Transparenz ist also kein Kontrollinstrument, sondern die Voraussetzung für Selbstbestimmung.
Transparenz bezieht sich nicht nur auf einem selbst, sondern auf alle Ebenen.
Transparenz auf individueller Ebene
Jede Person bei uns entscheidet selbst, wie viele Stunden sie arbeitet, wann sie heute anfängt oder aufhört und wie sie ihre Woche gestaltet.
Damit das funktioniert, braucht es Transparenz: Wir tragen unsere wöchentlichen Arbeitszeiten und geplanten Abwesenheiten in unserem selbstgebauten Transparenzportal ein. Das System überträgt die Abwesenheiten dann automatisch in den eigenen Kalender.
Spontane Änderungen teilen wir zusätzlich im internen Slack-Channel.
Beispiel:
„Ich fange heute erst mittags an.“
„Ich nehme mir morgen spontan frei.“
So weiß jede:r, wer gerade verfügbar ist – ganz ohne Micromanagement.
Längfristige oder größere Entscheidungen werden in einem speziellen Channel geteilt:
Wenn jemand sich beispielsweise neue AirPods über die Firma anschafft oder seine Arbeitszeit auf vier Tage pro Woche reduzieren möchte, wird das im #entscheidungen-Channel transparent gemacht. Das Team kann dann Rückfragen stellen, Bedenken äußern oder einfach nur Verständnis zeigen.
Zudem sind alle finanziellen Transaktionen im Unternehmen einsehbar.
Jede:r hat denselben Zugriff auf die Konten und sieht, welche Zahlung von wem vorgenommen wurde.
So vermeiden wir Missverständnisse – und fördern ein gemeinsames Bewusstsein für wirtschaftliche Verantwortung.
Transparenz auf Team-Ebene
Austausch ist essenziell. Wir sind zwar ein kleines Team (15 Personen), aber über Deutschland hinweg verteilt und arbeiten in unterschiedlichen Projektteams.
Zweimal pro Woche – dienstags und donnerstags – treffen wir uns als gesamtes Team für 30 Minuten in unserem Halbwöchentlichen Update. Dort sprechen wir über:
laufende und anstehende Projekte
interne Themen, Chancen und Herausforderungen
geplante Abwesenheiten
Die wichtigsten Punkte werden in einem internen Newsletter festgehalten, damit alle – auch bei Abwesenheit – informiert bleiben.
Darüber hinaus gibt es regelmäßige Sync-Meetings in den Projektteams. Dort besprechen wir aktuelle Aufgaben, Engpässe oder wenn jemand Unterstützung braucht. So bleiben wir handlungsfähig, auch wenn mal jemand ausfällt oder Prioritäten sich verschieben.
Transparenz auf Organisationsebene
Finanzen:
Damit alle verstehen, wie es der Firma geht, bereitet Marcel jedes Quartal ein Finanzupdate vor:
Was haben wir eingenommen und ausgegeben? Wie entwickeln sich unsere Rücklagen? Welche Veränderungen stehen an?
Diese Einblicke schaffen ein gemeinsames Verantwortungsgefühl.
Gehälter:
Auch bei Gehältern leben wir Transparenz: Zweimal im Jahr führen wir eine Gehaltsrunde durch, bei der jede Person in der Gehaltstabelle ihr Gehalt individuell anpassen kann.
Jede Person hat Einsicht in die Gehaltstabelle.
Gehaltsanpassungen werden offen besprochen.
Wer Fragen, Anmerkungen, Bedenken hat, kann direkt mit der betroffen Person sprechen, bevor die Runde abgeschlossen wird.
Einstellungen:
Bei Einstellungen läuft es so:
Eine Person übernimmt die Koordination, aber das gesamte Team ist eingebunden – von der Durchsicht der Bewerbungen bis zu den Gesprächen.
Jede*r im Team soll die Gelegenheit bekommen, die Bewerberin oder den Bewerber kennenzulernen. Das macht den Prozess zwar etwas langsamer, sorgt aber dafür, dass alle mit einem guten Gefühl hinter der Entscheidung stehen. Und: Wenn jemand ein ungutes Gefühl hat, kann er oder sie ein Veto einlegen.
Herausfordernde Themen:
Wenn man in einem Boot sitzt, muss man auch gemeinsam durch Dick und Dünn gehen. Und diese Phasen gibt es immer mal wieder. Das kann anstrengend und herausfordernd sein, vor allem wenn man eigentlich wenig mit beispielsweise Finanzstrategischen Dingen am Hut hat, aber dennoch alle Informationen dazu geteilt bekommt. Wichtig hierbei ist nicht, dass man sich um alles gleichermaßen kümmern muss, sondern dass jede Person weiß, in welcher Krise wir gerade stecken und wer sich um was kümmert und regelmäßig Updates teilt.
Unser Transparenzportal als Rückgrat
Ein zentrales Element unseres Modells ist unser selbstgebautes Transparenzportal.
Dort kann jede Person sehen:
Gehälter
Urlaubstage
Arbeitszeiten
Abwesenheiten
Finanzstatistiken
Laufende Projekte
und vieles mehr
Es hilft uns, den Überblick zu behalten – und macht sichtbar, dass Transparenz kein Kontrollinstrument ist, sondern ein Werkzeug für Selbstbestimmung.
Transparenz ist bei uns kein Selbstzweck. Sie ist das Fundament, auf dem Selbstorganisation überhaupt erst möglich wird.
Nur wenn alle die gleichen Informationen haben, können sie eigenverantwortlich handeln – für sich selbst, für ihr Team und für die Organisation als Ganzes.
Selbstorganisation funktioniert nicht trotz Transparenz – sondern durch Transparenz.
Transparenz als kontinuierlicher Prozess
Transparenz ist kein Ziel, das man einmal erreicht und dann abhaken kann – sie ist ein kontinuierlicher Prozess. Und wie bei jedem Prozess läuft er mal besser, mal schlechter. Natürlich klappt auch bei uns nicht immer alles reibungslos. Unser Anspruch ist, die höchstmögliche Transparenz auf allen Ebenen zu leben – aber dass das nicht immer gelingt, ist menschlich.
Deshalb reflektieren wir regelmäßig in unserer monatlichen Team-Retro, was gut und was weniger gut lief. Ziel ist es, daraus zu lernen und kontinuierlich besser zu werden.
Was beim Thema Transparenz oft übersehen wird, sind die unterschwelligen, versteckten Dinge, die genauso relevant sind:
Informationen, die jemand für sich behält, weil sie „nicht wichtig genug“ erscheinen, oder Zwischenabsprachen zwischen wenigen Personen, von denen nicht alle wissen. Das passiert ganz natürlich in jeder Gruppe – aber es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein.
Denn jede Information kann für andere relevant sein, solange sie nicht super persönlich ist. Wenn man selbst entscheidet, was teilenswert ist und was nicht, nimmt man anderen die Chance, sich ein vollständiges Bild zu machen. Dadurch entsteht schnell ein Informationsgefälle – und das wiederum ist eine subtile Form von Hierarchie, die wir eigentlich vermeiden wollen.
Natürlich ist es nicht immer einfach, alles zu teilen. Manchmal fehlt die Zeit, manchmal auch einfach das Bedürfnis. Dieses Spannungsfeld ist ein Dilemma, das uns immer wieder begegnet – und mit dem wir bewusst arbeiten müssen. Denn Informationslücken können zu fehlerhaften Entscheidungen, Missverständnissen oder einem Ungleichgewicht im Team führen.
Deshalb verstehen wir Transparenz als etwas, das nie fertig ist, sondern ständig gepflegt, reflektiert und neu ausgehandelt werden muss. Absolute Transparenz zu erreichen ist utopisch, aber ein hohes Maß sollte es schon sein 😊.
Transparenz braucht Menschen
Um ein hohes Maß an Transparenz zu erreichen, braucht es viel menschliches Zutun.
Das gelingt jedem unterschiedlich gut – denn offenes Teilen, das Bewerten von Informationen und das Entscheiden, was relevant ist, sind sehr individuelle Prozesse.
Und dennoch glauben wir fest daran: Geteilte Informationen – also gelebte Transparenz – sind wesentlich für das Gelingen von Unternehmen und Teams.
Denn dort, wo Informationen fließen, entsteht Verbindung, Verständnis und Vertrauen.
Und das ist immer besser, als wenn Wissen in Silos stecken bleibt.
