Small talk wird gemeinhin als Waffe zum Eisbrechen eingesetzt. Er dient als Methode den kleinsten gemeinsamen Nenner mit seinem Gegenüber zu finden. Von hier aus kann man dann Schritt für Schritt seinen Gesprächspartner kennenlernen.
Auf der Suche nach möglichst großer Zustimmung werden dabei häufig meteorologische Fragestellungen aus dem Hut gezaubert. Ein anderer gängiger Einstieg bietet das Sammeln von Informationen zur Anreise. Ob man beispielsweise den Weg gut gefunden habe. Daran anschließend könnte man noch weitere Informationen zu Stausituationen auf dem Weg einholen.
Die Frage ist: Wer macht dabei eigentlich wem etwas vor? Es ist selbstverständlich einfach mit trivialen Themen nicht anzuecken und ein Gespräch initial ins Rollen zu bringen. Automatisch gerät man in eine Antwortsituation, die keine Überraschungen für das Gegenüber bereithält. Die Antwort dient weniger der Informationsübermittlung als vielmehr dazu der Frage erwartungsgemäß zu entsprechen.
Verwirrend würde vermutlich die Antwort sein, dass einem das Wetter nicht interessiert und Prognosen darüber aufgrund der Unbeständigkeit ohnehin müßig sind. Die Anreise ist mithilfe von google maps verhältnismäßig leicht gefallen, gerne könne der entsprechende Link weitergeleitet werden. Der Berufsverkehr hat den Erwartungen entsprochen.
Small talk wird also dazu benutzt Gespräche in Gang zu setzen. Vorgefertigte Fragen und Antworten, wie einen Ping Pong Ball hin und her zuspielen.
Mir stellt sich jedoch die Frage, warum ein gehaltloses Gespräch mehr wiegt als ein Moment vielsagender Stille, die häufig völlig zu unrecht negativ bewertet wird? Schon kurze Gesprächspausen erzeugen bei vielen Menschen ein unangenehmes Gefühl.
Doch was ist mit unserer Mimik und Gestik? Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat mal gesagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Was ist, wenn das Nichtzulassen von Stille unsere nonverbale Kommunikation untergräbt? Können wir so tatsächlich einen ehrlichen Gesprächsaufbau schaffen?
Fest steht, dass durch bloßes Anschweigen ein Kennenlernen nur limitiert stattfinden kann.
In der Fachzeitschrift Psychological Science haben Forscher herausgefunden, dass Small talk weder positive noch negative Auswirkungen hat. Man könnte also auch spitzzüngig behaupten er ist uns egal, sogar überflüssig. Tiefgründige Gespräche hingegen lösen bewiesenermaßen Glücksgefühle aus.
Was ist also, wenn man den Spieß umdreht? Direkt mit einer mutigen Aussage in ein gehaltvolles Gespräch startet?
Sogenannte Coaches behaupten, dass Small Talk ein Instrument zur Schärfung des Selbstbewusstsein sei. Doch bedarf es nicht deutlich mehr Selbstbewusstsein ein Gespräch mit der Aussage: „Die AfD verbreitet rechtspopulistisches Gedankengut und sollte durch den Verfassungsschutz verboten werden“ zu starten?
Ich bin mir sicher, dass diese Aussage Gesprächsmaterial und vielmehr sogar die Chance bietet, sein gegenüber tatsächlich kennenzulernen. Je nach Gesprächskreisen kann das Themengebiet natürlich auch entsprechend angepasst werden. In einem technischen Kontext könnte die Aussage zum Beispiel sein: „GraphQL wird REST ablösen.“ Dabei geht es natürlich nicht grundsätzlich darum immer auf Zustimmung und weitere Übereinstimmungen zu stoßen. Auch eine kontroverse Diskussion feuert ein Gespräch an und dient wunderbar der Möglichkeit jemanden besser kennenzulernen.
Und für alle effizienten Networker unter uns bietet es den unbestechlichen Vorteil, uninteressante Gesprächspartner in kürzester Zeit zu entlarven. Was mit einem klassischen, meteorologischen Gesprächseinstieg vermutlich frühestens ab dem dritten Getränk absehbar wird.